15.05.2008
Manchmal ist es nicht verkehrt, bei der Konkurrenz abzuschauen...
Das Spektrum an guten Spielen für die Nintendo Wii ist nach über eineinhalb Jahren leider noch immer sehr begrenzt. Das habe ich bereits bitter bemerken müssen, als ich nach einem vierten Titel für meine Spielesammlung suchte - Mario, Metroid und Zelda besaß ich bereits, war also gute Nintendo-Qualitätsspiele gewohnt, die regen Gebrauch von den neuen Möglichkeiten der Konsole, allen voran der Wii-Mote, machen. Ich durchforstete also die einschlägigen Spieleportale wie IGN, GamePro und dergleichen mehr und musste zu meinem Entsetzen feststellen, dass es kaum Spiele gibt, die eine durchgehend gute Bewertung haben. Der Großteil des Wii-Spieleinventars rangierte meist um die 70% und niedriger, was ich als keine wirkliche Kaufempfehlung empfinde; so lange es sich nicht um einen Titel handelt, der vor allem auf Fans des jeweiligen Genres abzielt.
So stand ich also vor der Wahl, ob es "DBZ: Budokai Tenkaichi 3" (ich bin Fan der Serie) oder "No More Heroes" werden sollte - vor allem letzteres bestach durch seine (fast) durchweg gute Bewertung um die 80% oder höher. Auch in den Amazon-Kundenrezensionen wurde dies allgemein widergespiegelt. So entschied ich mich für eben jenes Spiel. Und aus diesem Grund fühle ich mich nun auch genötigt hier eine Rezension zu verfassen. In meinen Augen war "No More Heroes" ein Fehlkauf über den ich mich ehrlich ärgere und ich möchte an dieser Stelle auch erklären wieso - ohne natürlich die guten Seiten des Spiels unter den Tisch fallen zu lassen.
Auf eine Zusammenfassung der Story, bzw. Ausgangssituation werde ich weitestgehend verzichten, dazu wurde schon genug in anderen Rezensionen gesagt, weshalb ich mich auch hauptsächlich auf die verschiedenen Aspekte des Gameplays konzentrieren und nur das nötigste zum Plot sagen möchte:
== Steuerung ==
Euer Charakter heißt Travis Touchdown und ist ein designierter Auftragskiller, der sich durch arrangierte Rangkämpfe mit anderen Assassinen bis an die Spitze kämpfen will. Ihr werdet gleich zu Anfang mitten ins Geschehen geworfen und habt die Wahl ein Tutorial zu spielen, um euch mit der Steuerung vertraut zu machen. Dies sei jedem Einsteiger angeraten, denn "No More Heroes" (im weiteren Verlauf als NMH) besitzt eine ganz eigene Spielmechanik, sowie ein Kampfsystem, dem es gegenüber Zelda deutlich an Intuitivität fehlt. Während es bei letzterem genügt seine Wii-Mote zu schwingen, geht NMH einen anderen Weg. Es gibt zwei grundsätzliche Haltungen, in denen ihr Travis’ Laser-Katana führen könnt: hohe und tiefe Schläge. Je nachdem in welchem Winkel ihr die Fernbedienung ausrichtet, nimmt euer Charakter eine dieser beiden Haltungen an, die determinieren wie ihr euren Gegner angreift. Die Unterscheidung hierbei ist vor allem wichtig, wenn euer Feind eure Angriffe blockiert - das kann er nämlich (Bossgegner ausgenommen) nur für jeweils eine der beiden Angriffsmodi. Solltet ihr ihn also mit tiefen Schlägen treffen, während er hohe blockt, ist er euren Attacken so schutzlos ausgesetzt, als würde er sich gar nicht wehren. Um einen Schlag auszuführen schwingt ihr nicht etwa die Fernbedienung, sondern drückt den A-Knopf.
"Moment!", dachte ich mir in diesem "Augenblick der Offenbarung". Da stand doch in der Spielbeschreibung etwas von "aufregenden Schwertkämpfen mit der Wii-Mote" oder so ähnlich. Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt. Durch wiederholtes Drücken von A führt Travis eine automatisch generierte Schlagkombo gegen den Gegner aus und sobald dessen Lebensenergie auf Null sinkt, kann man ihn "finishen". Auf dem Bildschirm erscheint dann ein Pfeil, der entweder nach oben, unten, rechts oder links zeigt und in diese Richtung muss man dann seine Fernbedienung kurz schwingen, woraufhin Travis einen Finishing-Blow auf den Gegner ausführt. Außerdem kann es passieren, dass sich die Klinge eures Helden mit der eines Feindes kreuzt. Dann ist es geboten so schnell wie möglich mit der Wii-Mote einen Kreis in der Luft zu beschreiben, entweder mit oder gegen den Uhrzeigersinn – abhängig davon wie es auf dem Bildschirm angezeigt wird. Meiner Meinung nach ist dieses Kampfsystem eher enttäuschen, als innovativ. Wer zuvor Zelda gespielt hat, wird mir da recht geben. Dort erfolgen nämlich die Schlagkombi weitestgehend über das Bewegen der Wii-Mote und man fühlt sich regelrecht das Heft (also den Schwertgriff) in die Hand gegeben.
Neben der normalen Schlagkombo gibt es noch die Möglichkeit seinem Gegner mit dem B-Knopf eine mit der Faust über zu ziehen. Während es praktisch wirkungslos ist, einen hohe Schläge blockenden Feind mit einem hohen Schwertstreich anzugreifen, führt dasselbe bei "normalen" Schlägen dazu, dass der Kontrahent kurz betäubt ist. Diesen Status der Benommenheit kann man ausnutzen, ihn durch nochmaliges Drücken von B packen und mit einem "Wrestling-Move" zu Boden zu werfen. Sobald der Gegner also von Travis gepackt wird, tauchen zwei Pfeile auf dem Bildschirm auf, in die der Spieler den Nunchuk, sowie die Fernbedienung bewegen muss. Liegt das Opfer dann am Boden, kann man es mit einem Hieb beseitigen. Mehr nennenswerten Gebrauch macht NMH von den Möglichkeiten der Wii-Steuerung nicht.
== Gameplay ==
Nachdem ihr die Mission abgeschlossen und den ersten Boss erledigt habt, findet ihr euch in eurem Apartment wieder, das unter anderem, ähnlich wie in jüngsten GTA-Titeln, über einen Kleiderschrank verfügt, an dem ihr Travis euren Wünschen entsprechend einkleiden könnt. Vorausgesetzt ihr habt bereits ein paar Sachen gekauft oder gefunden. Sobald ihr also eure Wohnung im Motel "No More Heroes" verlasst, werdet ihr mit dem "knallharten Alltag" von "Santa Destroy" konfrontiert - dem Geldverdienen. Ihr schwingt euch auf Travis' Motorrad und fahrt zur Filiale von "K-Entertainment" - das "K" steht wohl für Killer - die euch als "Drittklassigen" (Attentäter) sofort wieder rausschmeißen und erst einmal zum "Jobcenter" schicken. Dort müsst ihr einen kleinen Nebenjob - in Form eines Minispiels - annehmen, bei dem es darum geht gegen Palmen zu schlagen und in einer gewissen Zeit so viele Kokosnüsse zu sammeln wie möglich. Sobald die Zeit abgelaufen ist, werdet ihr je nach Anzahl der gesammelten Nüsse entlohnt. Außerdem ist es jetzt möglich die ersten Missionen bei K-Entertainment anzunehmen. Durch diese Aufträge sammelt ihr Geld, das wiederum zur Bezahlung der Gebühren für den nächsten Rangkampf, Kleindung für Travis, Aufrüstung/Neukauf eures Laser-Katanas oder Training bei eurem Sensei benötigt wird.
Und hier sind wir auch schon im Kern des Gameplays angelangt. Sobald ihr genügend Geld für den nächsten Rangkampf gesammelt und am EC-Automaten überwiesen habt, geht es zurück ins Apartment, wo ein kurzes und meist skurriles Briefing erfolgt, das euch, zumindest am Anfang noch, über euren nächsten Gegner informiert. Travis begibt sich also zum Austragungsort, kämpft sich durch einige Gegnermassen, tötet den Boss und dann geht das Ganze wieder von vorn los. Zum Jobcenter, das dortige Minispiel absolvieren, damit neue K-Entertainment-Aufträge freischalten (die sich kaum unterscheiden), genug Geld sammeln, nächster Rangkampf. Und so geht das bis zum Spielende. Im späteren Verlauf der Story werden die Wege zu den Engegner immer kürzer, worunter die Spielzeit maßgeblich leidet – um einen Rangkampf wird man sogar komplett geprellt. Ebenfalls sind die Level absolut linear aufgebaut, eventuell inspiriert von einigen Light-Gun-Shootern. Collectables, wie Sammelkarten, sind wenn überhaupt nur plump versteckt und bringen auch keinen spielerischen Mehrwert (lediglich einige Trophäen für Travis’ Apartment). Nervig gegen Ende werden vor allem die „Trash“-Gegner, die immer öfter eure Angriffe blockieren und sich auch gänzlich von Schlägen unbeeindruckt zeigen.
== Retro-GTA? ==
Das alles könnte das Spiel locker durch eine interessante Außenwelt zwischen den Missionen wett machen, indem es dem Spieler die Möglichkeit gibt sich dort nach Belieben auszutoben, durch die Straßen zu jagen und vielleicht ein paar versteckte Goodies einzusammeln. Leider schwächelt NMH hier am stärksten. Sobald man sein Apartment das erste Mal verlässt, fühlt man sich direkt in GTA 3 zurückversetzt, vor allem zeitlich - aufgrund der deutlich schlechteren Grafik. Und das auf einer Next-Generation-Konsole. Die Entwickler bezeichnen die Außenwelt von „Santa Destroy“ als „grenzenlos“ – und dem möchte ich mich gerne anschließen. Sie ist grenzenlos schlecht. Die Grafik wirkt oftmals nicht besser als eine aufpolierte Version eines Playstation-One-Titels, Texturen haben einer lächerlich niedrige Auflösung und Gegenstände oder Personen tauchen teilweise erst 30 Meter vor dem Spieler aus dem Nichts auf. Straßen sind zwar sporadisch mit einigen Autos versehen, aber so etwas wie Autounfälle à la GTA gibt es dort nicht. Man wird vielmehr auf Null abgebremst, sobald man gegen einen anderen Verkehrsteilnehmer stößt und die Hitbox eines Autos ist dort mitunter größer als dessen Textur es vermuten lassen würde. Die Steuerung des eigenen Motorrads ist teilweise mehr als seltsam und es macht folglich nicht wirklich Spaß die Stadt zu „erkunden“. Zumal es nicht wirklich viel zu erkunden gibt. In Mülltonnen kann man nach Geld und T-Shirts suchen und hier und da versteckte „Luvikov-Bälle“ finden, die am ehesten mit den versteckten Paketen in GTA zu vergleichen sind, d.h. ihr findet ein paar und bekommt eine Belohnung. Allerdings sind diese eher unspektakulär. Ich könnte auch noch ankreiden, dass die Stadt deutlich kleiner ist, als das Territorium, das in GTA 3 (!!) begehbar war, aber das wäre ein Widerspruch in sich. Denn eigentlich könnte die Stadt auch nur halb so groß sein. Außer den markierten Anlaufpunkten auf der Karte gibt es nichts zu entdecken. Es macht absolut keinen Sinn die Stadt stundenlang zu durchsuchen, ihr könnt nicht einmal wie in Grand Theft Auto Amok laufen, denn der Waffengebrauch ist in der Außenwelt nicht möglich. Versteckte „heiße Schlitten“ findet ihr mit Sicherheit auch nicht, denn außer Travis’ Motorrad sind seine Füße das einzige Fortbewegungsmittel, das euch zur Verfügung steht.
Trotzdem ist es angeraten nicht auf letztere zurückzugreifen und schnellstmöglich mit eurem Bike von A nach B zu fahren, weil ihr ansonsten beim Laufen durch die leeren und eintönig wirkenden Straßen in Versuchung kommen könntet vor Langeweile auf dem Fernseher das Programm zu wechseln. Die wenigen Wegpunkte, die auf eurer Karte vermerkt sind, sind mit dem Begriff „zweckmäßig“ ziemlich gut beschrieben. Es gibt eine Videothek, in der ihr euch Musikvideos ausleihen könnt, einen Klamottenladen, das Jobcenter, sowie K-Entertainment, die Bar, in der ihr die Luvikov-Bälle eintauschen könnt, das Forschungslabor, wo ihr neue Katanas bekommt (freigeschalten werden diese fast automatisch) und das Thunder Ryu Building, das Fitnessstudio eures Senseis. Dort könnt ihr durch Bankdrücken, Kniebeuge und Hanteltraining eure Schlagkraft, Lebensenergie und Kombokomplexität erhöhen. Zumindest bis zum dritten Rangkampf. Wenn ihr danach das Gebäude betretet, könnt ihr es nicht mehr verlassen, da sich die Wii beim Versuch einfach aufhängt. Was bei einem PC-Spiel lediglich ein ärgerlicher Bug wäre, der mit einem Patch zu beheben ist, handelt es sich auf Nintendos Konsole um einen dauerhaften Designfehler. Und mehr gibt es über das Gameplay nicht zu sagen. Das ist alles was ihr für 60 Euro bekommt. Das und etwas mehr als zehn Stunden Spielzeit. Wirkliche Lust „No More Heroes“ auf dem höheren Schwierigkeitsgrad zu spielen hab ich nicht. Wiederspielwert (für mich) gleich Null.
== Fazit ==
Meiner Meinung nach ist „No More Heroes“ ein Spiel, das definitiv seine Stärken hat und vor allem Fans skurriler Plots mögen zumindest daran Gefallen finden. Die Bossgegner, Nebencharaktere, sowie Travis bedienen zwar viele Klischees und Stereotype, aber wirken dennoch auf ihre Art und Weise einzigartig. Der Kampf mit dem „Lichtschwert“ gegen immense Gegnerhorden macht unbestritten Spaß; ich denke nicht zuletzt, weil man sich an den Star-Wars-Flair erinnert fühlt.
Dennoch: Die Schwächen überwiegen für meinen Geschmack einfach zu sehr und ich kann die durchweg positive Kritik dieses Titels absolut nicht nachvollziehen. Mit der Zeit werden die Kämpfe und das komplette Gameplay an sich einfach zu eintönig. Die Außenwelt ist vom Start an alles was man bis zum Abspann von Santa Destroy zu sehen bekommt; es ist nicht möglich neue Bereiche mit Spielfortschritt, wie es die GTA-Teile vorgemacht haben, zu erschließen. Das was die Stadt bietet ist einfach nur lächerlich und kann dem Vergleich zu etablierten Titeln dieses Genres nicht einmal ansatzweise standhalten. Wenn man sich als (auf diesem Gebiet) unerfahrener Entwickler dafür entscheidet, 50 Prozent des Spielinhaltes darauf zu konzentrieren eine Außenwelt zu kreieren, die dem Zwecke dienen soll, dem Spieler Abwechslung zu bieten, halte ich es für angeraten, dann doch mal den Blick nach Schottland (Rockstar Games) zu werfen und sich zwei, drei Dinge abzuschauen, statt gleich so einen Müll zu produzieren. Oft ist gut geklaut besser, als schlecht selbst gebaut. Außerdem schöpft „No More Heroes“ die grafischen Ressourcen und die innovativen Steuerungsmechanismen der Wii in keiner Weise aus. Es muss sich den Vergleich mit dem vorbildhaften Zelda gefallen lassen, in dessen Schatten es eher das Gefühl von „dabei“ als von „mittendrin“ vermittelt.
Eigentlich wollte ich an dieser Stelle drei Sterne vergeben, aber nachdem nun, da ich nach eineinhalb Stunden, am Ende meiner Rezension angelangt bin und mir alles noch einmal durch den Kopf habe gehen lassen, ärgern mich die 60 Euro für elf Stunden „Spielspaß“ nun noch mehr, weshalb NMH nun doch nur zwei erhält. Einen für das Kampfsystem, das für die ersten paar Stunden wirklich Spaß macht, aber zu statisch ist, dafür, dass es das Hauptelement darstellt. Und einen für den Flair, den es vermittelt, der teilweise an einen Tarantino-Film erinnert. Ich hoffe ich bewahre somit ein paar Leute vor einem Kauf, den sie unter Umständen bereuen könnten.