25.01.2009
Keine Verschiebung der Fronten...
Seit fünf Jahren tobt ein sprichwörtlicher Krieg um die Vorherrschaft über eine Shooter-Serie: die Entwickler Infinity Ward (verantwortlich für Teil 2 und 4) und Treyarch (entwickelte Teil 3 und, indirekt, das erste 'Call of Duty', da Gray Matter Interactive inzwischen zu Treyarch gehört) kämpfen verbissen darum, wessen 'Call of Duty'-Titel besser sind. Nachdem Infinity Ward mit einem Überraschungsangriff - 'Call of Duty 4: Modern Warfare' - Treyarch 2007 stark zurückdrängte, wird nun der Befreiungsschlag durch Altbewährtes versucht.
In 'World at War' es geht zurück in den Zweiten Weltkrieg. Diesmal jedoch ist es nicht die Aufgabe, Europa von den Nazis zu befreien, der Fokus liegt nun auf den Pazifikschlachten der Amerikaner gegen die Japaner. Ganz durfte das dritte Reich aber doch nicht fehlen, weshalb es einen parallel stattfindenden Handlungsstrang gibt, in dem der Spieler in die Haut des Russen Dimitri Petrenko schlüpft, um mit der roten Armee von Stalingrad aus bis nach Berlin zu marschieren.
Technisch gibt es an 'World at War' kaum etwas zu bemängeln. Es bedient sich der IW Engine von 'Call of Duty 4' und sieht daher so gut wie sein Vorgänger aus. Hier liegt allerdings zugleich das Problem: das Spiel sieht *genau* wie 'Call of Duty 4' aus - scheinbar wurde die Grafik bestenfalls um Nuancen (wie den Feuereffekten, auf die Treyarch besonders stolz zu sein scheint, immerhin gibt es in jeder Mission mindestens einen Flammenwerfer / -panzer, was, aufgrund des hohen Treibstoffkonsums, nicht ganz der historischen Realität entspricht) verfeinert, eine offensichtliche Verbesserung gibt es nicht. Zwar ist die Engine eindeutig immer noch zeitgemäß, erzielt aber eben nicht mehr die selbe "Oho!"-Wirkung wie vor einem Jahr. Immerhin werden die für 'Call of Duty' typischen Massenschlachten ohne Tearing, Ruckler oder (gröbere) Grafikfehler auf den Bildschirm gebracht, weshalb ich den fehlenden Fortschritt nicht so eng sehe, allerdings wäre es schön gewesen, zumindest an anderer Stelle irgendwelche Form der Weiterentwicklung zu finden...
Innovation sucht man hier leider vergebens. 'World at War' spielt sich exakt wie seine Vorgänger: man erwehrt sich immer noch endlos respawnender Gegnerwellen, bis man sich bis zu seinem Einsatzziel durchgeschlagen hat. Wie gewohnt werden die Missionen von zahlreichen Script-Events aufgelockert. "Same as usual" trifft auch bei Inhalt und Aufbau der Missionen zu: Treibstofflager in die Luft sprengen, als Sniper Zielpersonen ausschalten, feindliche Panzer ausschalten. Zwischendurch hockt man in einem amerikanischen 'Black Cat'-Bomber, versenkt japanische Versorgungsschiffe und wehrt einen Kamikaze-Angriff ab. Natürlich darf auch die obligatorische Panzerfahrt (hier in den Seelower Höhen auf Seiten der Russen) nicht fehlen. Das Spiel endet - einmal mehr - am Dach des Reichtags, auf dem die sowjetische Flagge gehisst wurde - es ist einfach absolut nichts Neues dabei. Das Beste an 'Call of Duty 4' war seinerzeit, dass es das bekannte 'CoD'-Gameplay zwar mitnahm, das Szenario jedoch frisch und (im Rahmen der Serie) herrlich unverbraucht und neu war. Ich mag den Zweiten Weltkrieg als Schauplatz und würde daher auch 10 weitere 'Call of Duty'-Teile in diesem Setting spielen, kann aber verstehen, dass sich manche über den Rückgang ärgern.
Die KI wurde gegenüber den Vorgängern beinahe verschlechtert. Taktisches Vorgehen wie Deckung suchen oder Flankieren? Fehlanzeige. Nach wie vor stürmen Gegner im Selbstmord-Stil frontal auf den Spieler zu und ist maximal durch ihre Masse eine Bedrohung. Die Mitstreiter-KI ist noch schlimmer und scheint tatsächlich in jedem 'Call of Duty'-Ableger zunehmend schlechter zu werden. In 'World at War' dienen eure Kollegen weniger als Unterstützung, sondern eher als Dekoration für das Schlechtfeld, um das "Ich bin nur ein Rädchen in der Kriegsmaschinerie"-Massegefühl zu bewahren (was aber ohnehin stark darunter leidet, dass man den Krieg quasi im Alleingang gewinnt). Sie treffen nichts - wirklich NICHTS -, weshalb es mich nicht wundert, dass die Gegner ihr Feuer immer auf den einzigen menschlichen Teilnehmer konzentrieren und die befreundete KI generell links liegen lassen, was häufig zu kuriosen Szenarien führt (Beispiel: bei Banzai-Angriffen stürmen die Japaner manchmal durch eine ganze Gruppe schwer bewaffneter Amerikaner, um mich zu erreichen - was ihnen meist gelingt, da sie niemand aufhält...). Immerhin werfen sie Granaten zurück - manchmal. Oh ja - Granaten...
Die Gegner-KI scheint einen Fetisch für Granaten zu haben: in keinem anderen Spiel durfte ich bisher einen solch inflationären Einsatz von Granaten erleben. Wenn einem 3-4 der kleinen Sprengkörper gleichzeitig vor die Füße geworfen werden (keine Seltenheit!), gibt es fast kein Entkommen, was vor allem auf dem 'Veteran'-Schwierigkeitsgrad frustrierend sein kann. Die vermehrten Bildschirmtode verlängern aber zumindest die viel zu kurze Singleplayer-Kampagne, die selbst weniger gebübte Spieler auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad in 4-6 Stunden beendet haben sollten. Dieser Umstand ist für mich ebenso eine Premiere: noch nie habe ich einen WW II-Shooter gezockt, das ich so schnell durch hatte. Selbst das ebenfalls eher kurze 'Call of Duty 3' hielt mich länger bei der Stange - enttäuschend...
Das Herzstück von 'Call of Duty' war jedoch schon immer sein Multiplayer-Modus. Dieser wurde um eine kooperativ spielbare Kampagne erweitert, bei der entweder online bis zu 4 Spieler oder 2 an einer Konsole via Splitscreen teilnehmen können. Leider füllt letzterer die beiden Bildhälften nicht vollständig aus, weshalb die Übersicht, sofern man keinen entsprechend großen Fernseher besitzt, etwas leidet. Da mich der Multiplayer (abgesehen vom neuen Coop-Modus) nicht interessiert (und, unabhängig vom Spiel, bei 'Call of Duty' noch nie interessiert hat), habe ich ihn nur kurz angespielt - er ist kaum mehr als eine WW II-Version von 'Modern Warfare'. Wer also nach den Online-Modi von Teil 4 süchtig war, wird nicht enttäuscht werden.
Deutsche Spieler sollten bei 'World at War' besonders Acht geben: wurde bei 'Call of Duty' bisher "nur" die NS-Symbolik zensiert, fiel beim aktuellsten Ableger wesentlich mehr der Schere zum Opfer, was mit dem erhöhten Gewaltgrad des Titels zusammenhängt. Treyarch selbst betonte im Vorfeld, 'World of War' solle nicht einfach nur die letzten Kriegsjahre im Zeitraffer (die übrigens ohnehin historisch unakkurat versoftet wurden), sondern vor allem die grausamen Seiten des Konfliktes, inklusive Gefangenenexekution und Folter, zeigen. Bevor der erste Moralapostel schreit, dass solche Szenen in einem Videospiel nichts verloren hätten, möge er sich fragen: wie kann die Grausamkeit des größten Konflikts der Menschheitsgeschichte beleuchtet werden, wenn gut 2/3 davon entweder fehlt oder entschärft wurde? In Deutschland ist immer wieder von "Gewaltverherrlichung" die Rede. Selbst im deutschen Strafgesetzbuch gibt es einen entsprechenden Paragraphen (§ 131), der "offensichtliche" Gewaltverherrlichung unter Strafe stellt. Mich würde interessieren, was Gewaltverherrlichung eigentlich ist. Ist es die grausame Darstellung eines Krieges, wo Kombattanten bei empfindlichen Treffern Gliedmaßen verlieren, von Granaten und Panzerprojektilen zerfetzt werden und 10 Sekunden schreiend umherlaufen, wenn man sie anzündet, ehe sie zu Boden fallen und ihren Verletzungen erliegen? Oder ist es die klinisch saubere, "sterile" Darstellung, in der die Gegner zu Zielscheiben in Uniform verkommen, die es möglichst präzise "wegzumachen" gilt, wie es bei der deutschen Version von 'World at War' der Fall ist? Immer wieder entrüsten sich "Experten", der Konsum gewalthältiger Videospiele würde abstumpfen, weil eine Identifizierung mit den Opfern nicht möglich sei. Wer kann einer Zielscheibe gegenüber empathisch sein?
'Call of Duty: World at War' war Treyarchs Geheimwaffe, um Infinity Wards Attacke zu kontern und den Krieg um die 'Call of Duty'-Franchise herumzureißen, leider entpuppt es sich als Blindgänger. Die guten Ansätze sind da - die Atmosphäre ist sehr dicht und durch die hohe SPielgeschwindigkeit kommt die kurze Kampagne über definitiv keine Langeweile auf. Leider bedienten sich die Entwickler zu häufig und zu offensichtlich beim erfolgreichen Vorgänger. Besser gut geklaut als schlecht neu erfunden, sagt man - schön, aber eine erweiterte 'Call of Duty 4'-Mod ist keinen Vollpreis wert, woran auch der amüsante und motivierende Coop-Modus nichts ändern kann. Die Zensur der deutschen Version tut ihr übriges. Deshalb lege ich selbst Genre-Fans nahe, vor dem Kauf erst einmal Probe zu spielen. Wegen der Zensur und weil deutschen Kunden ein kompletter Spielmodus - "Nazi Zombies" -, der zwar nicht handelungsrelevant ist, aber gerade zu viert sehr viel Spaß macht, vorenthalten wird, 2 Sterne für die deutsche, 4 für die internationale Fassung.
20.01.2009
nicht innovativ, aber geil
Eine echte Neuerung ist den Entwicklern in den Bereichen Story, Handlung und Charakterzeichnung gelungen: Die wurden nämlich ganz einfach komplett weggelassen. Stattdessen gibt es eine Art "Best of WW2", bei dem munter zwischen zwei Charaktersets (Amerikaner und Russen) und verschiedensten Schauplätzen gesprungen wird. Letztere können sich durchaus sehen lassen und bieten optisch so einiges: Es gibt Dschungel, Städte, pazifische Strände, Wälder, Sümpfe, Ruinen - und selbstverständlich Berlin. Schade nur, dass die Karten zwar oft weitläufig angelegt sind, aber dennoch so gescripted, dass keine Variation im Vorgehen möglich ist und nur bestimmte Handlungen die nächste Sequenz triggern oder den nächsten linear zu spielenden Abschnitt freigeben.
Dafür sind die Schauplätze, die Kämpfe und das ganze Drumherum geradezu bombastisch inszeniert: In den meisten Missionen ist man nicht allein, sondern kämpft sich an der Seite von (ständig sterbenden und durch ebenfalls ständigen Nachschub aufgestockten) Kameraden durch die Kriegsgebiete, wodurch die Schlachtfelder von Leben (und Tod) erfüllt sind und es nie ruhig um einen wird. In abwechselnder Reihenfolge übernimmt man die Kontrolle über den Amerikaner Private Miller und den Russen Dimitri, wobei es unter der amerikanischen Flagge darum geht, sich gegen die Japaner zur Wehr zu setzen und in der russischen Kampagne der Fall Berlins vorangetrieben wird.
Die Missionen selbst sind abwechslungsreich gestaltet, nicht nur landschaftlich, sondern auch spielerisch - manchmal geht es (nach "Call of Duty"-Maßstäben) außergewöhnlich ruhig zu, beispielsweise wenn Dimitri eine Scharfschützenmission absolviert, doch meist sind spektakuläre Actionsequenzen an der Tagesordnung: Feindliche Stellungen müssen infiltriert und ausgehoben, Panzer in die Luft gejagt und Flak-Geschütze eingenommen werden, während der Feind immer und überall präsent ist, in Endlosströmen aus Gebäuden spaziert oder sich aus dem Gras schält und zum Kamikaze-Angriff übergeht.
Als Auflockerung für Zwischendurch dürfen auch mal Panzer und Flugzeuge gesteuert werden, zumeist aber geht es auf Schusters Rappen durch schlammige Schützengräben, unberührte Natur oder Ruinen. Die Wahl der (überall herumliegenden) Waffen ist je nach Terrain sorgfältig zu wählen, denn ein Flammenwerfer bringt beispielsweise Vorteile in Tunneln und Häusern, aber wenig auf offener Fläche, und die Anzahl der Waffenslots ist auf zwei beschränkt.
An Steuerung, Gameplay und Grafik wurde im Gegensatz zum Vorgänger wenig bis gar nichts geändert, was im Falle von "Call of Duty" keine abwertende Aussage darstellt: Die Steuerung ist selbst für Neulinge schnell zu erlernen, und alte "Call of Duty"-Hasen können ohne Einlernphase mit dem Ballern beginnen. Die Grafik bietet wie gewohnt einen der schönsten Anblicke auf der PS3, auch wenn in der deutschen Version weitestgehend auf Blut verzichtet wurde, und Gegner, die Bekanntschaft mit dem Flammenwerfer machen, einfach umfallen, statt panisch und lichterloh brennend durch die Gegend zu stolpern. Diese Entschärfungen machen das Spiel jedoch auch nicht besser verträglich für Kinder oder Jugendliche, weshalb auch bei der geschnittenen deutschen Version das Mindestalter bei 18 Jahren angesiedelt ist.
Als wahrlich grandios darf die Synchro bezeichnet werden, denn auch hier fährt "Call of Duty" große Geschütze auf: Tobias Meister, der Schauspielern wie zum Beispiel Kiefer Sutherland oder Brad Pitt die Stimme leiht, spricht den Vorgesetzten von Private Miller in der Ami-Kampagne, aber auch alle anderen Sprecher klingen authentisch und richtig gut.
Der Online-Modus wurde im Großen und Ganzen belassen und bietet die gleichen süchtig machenden Elemente wie schon der Vorgänger: viele verschiedene Spielvarianten und die Möglichkeit, den eigenen Charakter immer weiter zu verbessern und mit immer neuen Gimmicks auszustatten. Zudem ist es möglich, die Kampagne im Splitscreen-Modus zu spielen; bis zu vier Spieler dürfen auf der heimischen Konsole zudem auf einigen nett ausgearbeiteten Karten gegeneinander (oder miteinander) antreten.
Fazit: "Call Of Duty: World At War" bietet wenig Innovation, dafür viel althergebrachtes Ballergameplay in schicken neuen Kleidern und ist mit acht bis zehn Stunden Länge gut geeignet, um ein paar kalte Winterabende zu verzocken. Der Preis schlägt mit knappen siebzig Euro heftig zu Buche, doch die Ausgabe lohnt sich für diejenigen, die bei der Erwähnung eines weiteren World-War-II Shooters nicht sofort blass werden und entnervt stöhnen.