29.03.2008
Naturtalent aus Italia?
Endlich einmal ein nicht alltägliches Rennspiel! Das kann man von „Squadra Corse Alfa Romeo“ wirklich behaupten. Und zugleich ein Hit? Nein, nicht ganz, haarscharf daran vorbei. Aus Gründen, auf die ich nachher natürlich noch eingehen werde. Und dennoch: aufgrund der langsam aber sicher eintretenden Ermüdungserscheinungen speziell auf dem weiten Feld der Rennspiele freuen wir uns doch über jeden Racer, der nicht längst ausgetretene Gameplay-Pfade betritt. Es ist im vorliegenden Fall nämlich tatsächlich nicht übertrieben, möchte man diesen Titel als Rennspiel-Rollenspiel bezeichnen, demnach haben wir es folgerichtig mit einer echten Rarität zu tun. Im Mittelpunkt steht hierbei eindeutig der Karrieremodus, die angebotenen Einzelrennen für zwei Gleichgesinnte stellen fast schon nur kosmetisches Beiwerk dar. Insofern soll sich ganz klar der Solist angesprochen fühlen und dieser beginnt dieses Rennspiel als blutjunger und gänzlich unerfahrener Rennfahrer, der – wenn wundert’s angesichts der Namensgebung dieses PS2-Titels – im Laufe der Zeit in fünfundzwanzig unterschiedlichen Alfa-Romeo-Flitzern Platz nehmen darf. Die knapp zwanzig Rennstrecken sind dabei unterteilt in drei Kategorien: in der Innenstadt (zum Beispiel Mailand und Florenz), auf abgesperrten Überlandstraßen und berühmten Schauplätzen wie Hockenheim, Laguna Seca lassen wir die Reifen qualmen. Dass das gesamte Spektakel in der Tat motivierend konzipiert wurde, liegt am klug ausgetüftelten Aufbau der Karriere unseres ambitionierten Protagonisten.
Viele Dinge sind hier in „Squadra Corse Alfa Romeo“ ungewöhnlich, so zum Beispiel die Tatsache, dass nach (hoffentlich erfolgreich) absolviertem Rennen keine Geldprämien ausgeschüttet werden, sondern der Erhalt von Erfahrungspunkten. Jene bekommen wir auch für besondere Aktionen wie das intelligente Ausnutzen des Windschattens, spektakuläre Überholmanöver oder das Aufstellen neuer Bestzeiten. Sinn macht das Ganze dann natürlich nur durch die unterschiedlichen Fähigkeiten bzw. einzelnen Attribute, welche unseren Jungspund ausmachen. Insgesamt sind es neun an der Zahl, die wir kontinuierlich verbessern sollten, um langsam aber sicher in den Olymp des Rennfahrerhimmels aufsteigen zu können. Natürlich haben jene einzelnen Attribute jeweils Auswirkungen auf die „üblichen Verdächtigen“ Handling, Beschleunigung und Straßenlage, doch es kommen weitere innovative Aspekte hinzu: so gibt es unter anderem den Gesundheitsfaktor, der eine wichtige Rolle während der Rennen spielt. Ist dieser Faktor hoch, fahren wir brav weiter bzw. drehen wir (mehr oder weniger) seelenruhig unsere Runden, sitzt uns aber die CPU-Konkurrenz hartnäckig im Nacken bzw. startet einen Überholversuch nach dem anderen, werden wir tatsächlich nervös, soll heißen, dass ein Countdown in jenen Momenten unerbittlich heruntertickt: ist dieser auf Null angelangt, werden wir zwangsweise unkonzentriert und es verschwimmt der Bildschirmausschnitt, wir können die Strecke urplötzlich nur noch sehr schemenhaft ausfindig machen. Dies aber nur für kurze Zeit, doch nicht selten für ausreichend lange Zeit, so dass der Konkurrent, der uns schon seit geraumer Zeit am Heck klebt, letztlich an uns vorbeiziehen kann. Sehr interessant, wie ich meine und eben erfrischend anders.
Doch damit nicht genug, ein weiteres innovatives Feature wurde in den Spielverlauf integriert: der sogenannte „Tiger Effekt“. Ist unser diesbezügliches Kontingent noch nicht aufgebraucht, dürfen wir per Spezialkommando die Zeit etwas zurücklaufen lassen, soll heißen, dass wir frisch fabrizierte Fahrfehler und daraus resultierende Zeitverluste wieder ausbügeln können: der Bildschirm färbt sich schwarz-weiß, das Geschehen wird angehalten und etwas zurückgespult und wir fahren unvermittelt weiter, so als ob nichts gewesen wäre. Eine taktische Note zieht somit mit ein, denn es stellt sich die Frage, welche Gelegenheit es wirklich wert ist, jenen Effekt zur Anwendung kommen zu lassen, möglicherweise ist es nämlich auch ratsam, damit noch etwas zu warten. Sehr schön und meines Wissens nach, was diese beiden Neuerungen betrifft, in der Rennspielszenerie wirklich einmalig. Wie es sich schließlich für ein rollenspiellastiges Videospiel gehört, kommen weitere Komponenten zwecks allmählichen Verbesserns der eigenen Talente hinzu: gewinnen wir vereinzelte Spezialrennen, erhalten wir als Lohn nicht nur heißbegehrte Erfahrungspunkte, sondern auch neue Ausrüstung wie beispielsweise Overall, Helm und Handschuhe, die unseren Helden noch sicherer und vor allem schneller über die Pisten donnern lassen. Originell, ungewöhnlich, innovativ, interessant, motivierend, vielleicht sogar abgefahren: sämtliche Bezeichnungen treffen bei „Squadra Corse Alfa Romeo“ den Kern und insofern heißt es eindeutig: Daumen hoch.
Doch es ist (leider) doch nicht alles perfekt, wobei sich die meisten Kritikpunkte in Bezug auf dieses Rennspiel für die PS2 erst auf den zweiten oder dritten Blick erschließen. Zugeben muss ich aber, dass ich aufgrund des nicht alltäglichen Gameplays sehr gerne über das ein oder andere Defizit hinwegsehen möchte, verschweigen darf ich diese natürlich dennoch nicht: Das nettgemeinte Schadensmodell beispielsweise ist eher nur Makulatur, hat keinerlei Auswirkungen auf das Fahrverhalten. Doch darüber schauen wir voraussichtlich noch milde hinweg, schätze ich. Die Handhabung ist für die Meisten unter uns – mich mit eingeschlossen – wahrscheinlich zunächst gewöhnungsbedürftig: zwar handelt es sich grundsätzlich um einen unkomplizierten Arcaderacer, bei dem nicht (wie in einer Rennsimulation) viel gebastelt und getüftelt werden muss, aber die Federun bzw. die entsprechenden Stabilisatoren verursachen ein nicht ganz so angenehmes „weiches“ Fahrgefühl, etwas knackiger bzw. härter auf der Straße hätten die italienischen Boliden ruhig liegen dürfen. Etwas Magenschmerzen verursachen mir des Weiteren die meines Erachtens zu geringe Spieldauer, erst recht, da es sich um ein Rennspiel-RPG handelt, von dem ich einen (genretypisch) längeren Spielumfang gewünscht hätte. Darüber hinaus ist der Multiplayerpart mir deutlich zu mager ausgefallen, der Splitscreenmodus zu zweit und die Tatsache, dass online lediglich die Rekordzeiten verewigt werden dürfen, ist mir einfach zu wenig. Schließlich ist die Kameraführung nicht immer voll auf der Höhe, mir generell etwas zu weit unten angesetzt, so dass Übersichtsprobleme ziemlich häufig auftreten dürften und die Soundkulisse zu zurückhaltend: hier erwarte ich abwechslungsreichere Außengeräusche, was hier bei „Squadra Corse Alfa Romeo“ trotz grundsätzlich vorhandenem Surroundklang nicht der Fall ist. Leider müssen wir sowohl auf 60-Hz-Modus als auch 16:9-Breitbildformat verzichten.
Positiv zu registrieren ist die sehr flüssige Grafik, die abwechslungsreichen und detailverliebt in Szene gesetzten Schauplätze, die abwechslungsreichen Rennverläufe bzw. Streckenführungen und natürlich nicht zuletzt die motivierenden Rollenspiel-Elemente. Rennspielfans oder vielleicht auch gerade diejenigen, denen die Raserspiele auf Dauer zu eintönig oder alle zu gleich ablaufen, sollten mehr als nur einen flüchtigen Blick riskieren. Bemerken möchte ich noch, dass der Schwierigkeitsgrad nicht ohne ist, aufgrund der hartnäckigen CPU-Fahrer geht das Ganze hier deutlich in Richtung fordernd bis knackig schwer. Für mich zumindest gehört „Squadra Corse Alfa Romeo“ in jede PS2-Sammlung, allein der ungewöhnliche Spielverlauf rechtfertigt dies. Spielspaßwertung: 79%.
PLUS --> Sehr innovativer (überraschender) Einbau zahlreicher RPG-Elemente, flüssige und hübsche Optik, motivierende Karriere, abwechslungsreiche Strecken, definitiv kein Rennspiel-Einheitsbrei
MINUS --> Tief angesetzte Kamera erschwert Überblick, Multiplayer schlapp, zu weiche Federung ergibt seltsames Fahrgefühl, zu kurze Spieldauer