11.12.2006
Zombie-Alarm
Keine Frage ist: wer von Resident Evil noch nichts gehört haben sollte, kann sich nicht wirklich für Videospiele interessieren. Dies meine ich ganz unabhängig vom persönlichen Geschmack. Genauso klar ist, dass Titel wie Resident Evil und Silent Hill weltberühmt wurden, regelmäßig sind sie dem Genre des sogenannten Survival-Horrors angesiedelt. Jenes Genre gibt es noch gar nicht allzu lange und ist im Grunde erst durch obengenannte Hits entstanden bzw. erst durch diese definiert worden. Eine düstere Atmosphäre mit urplötzlich hereinbrechenden Schockmomenten sind die Eckpfeiler jener Gruselabenteuer, die nicht selten einem ausgedehnten Horrortrip in Reinkultur ähneln. Im Fall von „Resident Evil – Dead Aim“ (die Importversion nennt sich übrigens „Gun Survivor 4“) für die Sony Playstation 2 verhält es sich jedoch anders. Nicht völlig anders, aber doch sehr deutlich. Damit Ihr dies gleich richtig versteht: mit den anderen üblichen Resident-Evil-Teilen hat „Dead Aim“ nicht viel gemeinsam: hier wird geballert, geballert und nochmals geballert. Es handelt sich nämlich um einen Lightgunshooter.
Umso bedauerlicher ist es, dass „Resident Evil – Dead Aim“ ohne Multiplayermodus daherkommt. Böse, böse, böse ist das. Somit haben wir es ausschließlich mit einem Soloabenteuer zu tun, was die Langzeitmotivation dieses PS2-Titels nicht unbedingt in die Höhe treibt, versteht sich. Positive und negative Punkte eines Lighgun-Shooters sind seit Generationen gleich: brachiale unkomplizierte Action versus Tiefgang und Anspruch. Dies soll hier nun aber nicht ausdiskutiert werden. Vielmehr ist es wichtig herauszuarbeiten, was genau so top ist an diesem Game und was eher eine Enttäuschung darstellt. Denn eines ist doch klar: wer von Euch keine Lightgun-Shooter mag, wird sich diesen PS2-Titel ohnehin nicht antun, ganz gleich was ich nun über die Qualität dieses Spektakels erzähle.
Immerhin finden wir unterschiedliche Schwierigkeitsgrade vor, das gleich vorweg. Oft ist es so, dass speziell in diesem Genre nur ein hammerharter - nicht selten unfair hoher – Schwierigkeitsgrad existiert, der für deutlich mehr Frust als Lust führt. Das Problem haben wir hier schon einmal nicht, sehr schön. Das oft vorhandene Problem der zu kurzen Spieldauer ist leider auch hier definitiv der Fall, das kann nicht unter den Teppich gekehrt werden. Ich habe zwar (noch) deutlich kürzere Lighgun-Ballerspiele erlebt, aber die im vorliegenden Fall zu veranschlagenden (je nach Talent) drei bis vier Stunden sind auch nicht gerade das Maß aller Dinge.
Dass die Story an sich in diesem Genre eher zu vernachlässigen ist, stellt keine Überraschung dar, daher darf dies auch nicht überbewertet werden, versteht sich. Wer eine packende Handlung voller überraschender Momente und eine hohe Identifikation mit den Protagonisten sucht, marschiert besser sogleich in ein anderes Genre. Die Story ist jedenfalls Folgende: aus den Räumlichkeiten der Umbrella Corporation wurde ein übler T-Virus entwendet. Üble Sache das. Kurz darauf geschehen auf einem Luxusdampfer während einer (eigentlich fröhlichen) Kreuzfahrt sehr merkwürdige Dinge, die darauf schließen lassen, dass jene mysteriösen Vorkommnisse mit dem verschwundenen Virus zu tun haben. Rein zufällig – Achtung, Ironie – befindet sich Bruce McGivern an Bord jenes Luxusschiffes, seines Zeichens ist er ein hochtalentierter Schnüffler, kennt sich in seinem Metier mächtig gut aus und macht sich natürlich sogleich frisch ans Werk, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Unzählige Zombies machen uns in der Folgezeit das Leben nicht gerade leicht, der brachiale Ballerspaß kann beginnen.
Abgesehen davon, dass wir phasenweise auch in die haut einer chinesischen Geheimagentin schlüpfen, ist das Prozedere immer gleich: feind erkannt, Feind erschossen. So oder so ähnlich. Auf unsere Reaktionsschnelligkeit kommt es in erster Linie an und dies nahezu pausenlos. Zu erwähnen ist, dass alternativ zur Lightgun-Wumme auch mit der Maus oder dem Joypad um sich geballert werden darf, am Coolsten ist es natürlich trotzdem mit der extra für solche Genrevertreter entwickelten Lichtpistole, versteht sich. Das Schlachtfest wird mit dem Joypad aber wesentlich komplizierter, da Ihr mit dem rechten Analogstick die Zombiemeute zusätzlich anvisieren müsst und Ihr in Verbindung mit anderen Manövern – so zum Beispiel bei 180-Grad-Drehungen – schnell durcheinander kommt: prickelnder und vor allem wesentlich komfortabler ist somit zweifelsohne die Lightgun.
Grundsätzlich laufen wir in der Third-Person-Perspektive umher, was bedeutet, dass wir unserer Hauptfigur über die Schulter schauen. Dies gewährleistet – im Vergleich zur spektakuläreren Egoansicht – eine bessere Übersicht und sorgt voraussichtlich für weniger Schwindelanfälle. Kommt es zum Kampf, wird geschwind in die Egoansicht umgeschaltet, was dem zielgenauen Anvisieren zugute kommt. Überhaupt ist das Spieltempo doch ziemlich hoch aber trotzdem verläuft die Action angenehm flüssig. Ballern wir uns am Anfang noch kreuz und quer durch die Räumlichkeiten des Luxusliners, so geht es später auch runter vom Schiff und rauf auf das Festland. Auch dort wird natürlich nicht lange gefackelt, versteht sich, das Prozedere bleibt absolut gleich: Zombies, Reptilien und sonstige mutierte Wesen werden kompromisslos in ihre Einzelteile zerschossen. Ab und an machen wir uns auf die Suche nach Schlüsseln und Aktivieren Schalter, was aber aufgrund ihres simplen Ablaufs eher kosmetischer Natur sind. Etwas mehr Abwechslung ins Gameplay bringen die Extrawummen, die – ebenso wie die Munition – aber erst einmal aufzuspüren sind. Große Innovation dürfen wir hier nicht erwarten, das ist auch nicht weiter schlimm. Doch an einer präziseren Steuerung hätte gearbeitet werden müssen, schnell artet das Ganze in ein furchtbares Chaos aus, da von allen Seiten feindliches Gesocks heranwetzt und wir diese nicht pixelgenau eliminieren können.
Der zweite Kritikpunkt neben der nicht ganz geglückten Spieltechnik betrifft die Präsentation. Und dies wiegt ziemlich schwer, da gerade Lightgunshooter bewusst weniger auf eine komplexe Handlung als vielmehr auf eine satte Grafik und einen fetten Sound setzen. Solche wünschenswerten Dinge finden wir hier aber nicht vor: ein dicker Patzer! Eine allenfalls durchschnittliche Grafik und eine erschreckend schwache Soundkulisse trüben den Eindruck erheblich und lassen das Gesamturteil weit nach unten in beängstigend niedrige Spielspaßregionen sinken. Sehr einfache Texturen am Boden und im Hintergrund und ein düsteres Ambiente, welches durch die chronische Dunkelheit diese Mängel überdecken möchte (was aber nicht gelingt) stechen sofort ins Auge. Mit dem Detailgrad der auftauchenden Zombies ist es auch nicht sonderlich weit her, was zum Glück den Schockeffekt nicht besonders stark beeinträchtigt. Der Schwachpunkt sind aber nicht die insgesamt noch halbwegs anständig dargestellten Feinde, sondern primär die texturarme Umgebung von der Gestaltung der Schauplätze bin ich jedenfalls enttäuscht. Der 60-Hertz-Modus, der netterweise berücksichtigt wurde, ändert daran leider auch nicht viel. Ein 16:9-Breitbildformat wäre hier wünschenswert gewesen. Immerhin existieren deutsche Bildschirmtexte, doch hätte ich – wenn ich ehrlich sein darf – dieses Lightgunspektakel auch auf japanisch oder chinesisch verstanden bzw. dem Spielverlauf halbwegs folgen können, schätze ich.
Noch mehr enttäuscht bin ich von der Soundkulisse, da erwarte ich von einem Ballerspiel in Horroratmosphäre einfach mehr und zwar gewaltig mehr. Noch nicht einmal als durchschnittlich möchte ich das ziemlich – zudem sehr selten vorkommende - belanglose Gedudel und insbesondere die uninspiriert wirkenden und abwechslungsarmen Soundeffekte (in Form lediglich zarter Ausrufe der Mutanten) bezeichnen. Gerade bei einem auf Schockeffekten basierenden Ballerspiel muss da einfach richtig viel kommen. Das uns in dieser Hinsicht Präsentierte ist hingegen kümmerlich. So zurückhaltend – um es noch nett auszudrücken – darf sich eine Soundkulisse nicht geben, das ist schwach und passt so ganz und gar nicht zu diesem Genre.
Also nein, Capcom, das war deutlich weniger als von mir ursprünglich erhofft. Das Lighgun-Geballer macht zwar zweifellos Laune, ist durchaus unterhaltsam und die Horroratmosphäre ist allgegenwärtig, doch mehr als ein Ballergame der eher durchschnittlichen Sorte ist dennoch nicht letztlich herausgesprungen. Teils arge Steuerungsprobleme, eine detailarme Optik und schlappe Soundkulisse drücken aufs Gemüt und ein fehlender Multiplayermodus wirkt sich zudem negativ hinsichtlich der Langlebigkeit dieses PS2-Titels aus. Ein großer Name, hinter dem sich – in diesem Fall zumindest – nicht allzu viel verbirgt. Im Übrigen ist es wieder einmal äußerst seltsam, wie gut dieses PS2-Game in der sogenannten Fachpresse wegkam. Sehr erstaunlich ist das Ganze, um es noch ziemlich vorsichtig und wertneutral auszudrücken. Weitere Worte erspare ich mir lieber an dieser Stelle. Meine Spielspaßwertung: 55%.
PLUS ---> Schauriges Horror-Szenario, fiese Zombies & Co., kompromissloses Lightgun-Geballer, flottes Spieltempo, flüssiges Gameplay
MINUS ---> Steuerung mit Tücken, enttäuschende Soundkulisse, schwache Texturen im Hintergrund, kein Multiplayer