26.01.2008
Verhaltene Euphorie
Seit vielen Jahren erscheint jeden Monat mindestens ein Rennspiel für die jeweils angesagten Spielkonsolen, nicht selten sind es gleich mehrere, die zeitgleich auf den Markt geschmissen werden. Nicht nur, dass der Überblick so langsam aber sicher vollkommen flöten gehen dürfte, die Meßlatte immer höher angelegt werden muss und die Möglichkeiten an Innovationen immer geringer werden, es fragt sich zudem, ob angesichts der totalen Überflutung an Racern die Lust am Genre überhaupt noch vorhanden ist. Klar ist jedenfalls: ist der entsprechende Titel nicht mindestens weit überdurchschnittlich, geht er blitzschnell wieder unter. „Enthusia Professional Racing“ für die Sony Playstation 2 ereilt dieses Schicksal nicht, dicke Pluspunkte gibt es tatsächlich für ein innovatives Spielprinzip, das mich sehr positiv überraschte und auf zeigt, dass eben doch noch nicht alles im Racer-Genre ausgelutscht ist. Es gibt offensichtlich noch ausbaufähige Elemente, die sich nicht nur auf die Grafik eines Rennspiel-Titels beziehen, sehr schön. Zu einem Oberkracher hat es zwar letztlich nicht gereicht, aber zweifellos handelt es sich um ein gelungenes Raserspiel, welches seine Stärken im Gameplay, der Grafik und der Fahrphysik hat. Zuzuordnen ist dieses PS2-Spiel eindeutig den Rennsimulationen und eben nicht den Arcaderacern und Achtung: der Schwierigkeitsgrad hat es in sich, Anfänger und Genre-Gelegenheitsspieler gehen aller Voraussicht nach gnadenlos unter. Etwas schlapp fällt leider der Multiplayerpart aus: lediglich offline zu zweit via Splitscreen und dann auch noch ohne CPU-Fahrer ist mittlerweile einfach zu dürftig, immerhin bleibt die Grafik dabei schön flüssig, aber da muss einfach mehr kommen. Dem Rennsimulationsfan – nicht selten auf Solomodi aus – wird dies aber schrecklich egal sein, er freut sich über ein sehr anspruchsvolles Spektakel, hohem Realismusgrad und motivierender Karriere.
Ähnlichkeiten zum großen „Gran Turismo“ werden zu Beginn möglicherweise ersichtlich, denn erstens laufen die Rennen auch in einem 6er-Starterfeld ab und es wird mächtig geklotzt in Sachen Quantität: fünfzig Rennpisten und 200 fahrbare Untersätze sprechen in dieser Hinsicht eine deutliche Sprache. Zudem machen wir schnell die Bekanntschaft einer Fahrschule, doch kurz darauf wird klar: „Enthusia Professional Racing“ ist anders. Sehr anders sogar. Und das ist auch gut so. In der Fahrschule werden wir jedenfalls behutsam an die Materie herangeführt, was angesichts des knackigen Schwierigkeitsgrades auch eminent wichtig ist. Eine Strecke mit jeweils vier Zwischenprüfungen steht auf dem Programm, wobei jedoch nicht die Bestzeit hinsichtlich Eurer Leistungsbewertung ausschlaggebend ist, sondern das Tempo, mit dem Ihr vorhandene Tore durchfahrt, allein das zählt und bringt uns im Erfolgsfall Bonuswagen. Die Lernkurve steigt dabei stetig an, unfair wird es aber netterweise so gut wie nie, so fordernd sich die Prüfungen mitunter auch gestalten. Das sorgt definitiv dafür, dass wir motiviert bleiben und ziemlich selten ein frustrierendes „Tal der Tränen“ durchlaufen müssen. Vorausgesetzt wir verfügen zumindest über etwas Talent, versteht sich. Haben wir die „Driving Revolution“ (so der eigentliche Name der Fahrschule) absolviert, geht es ab in Richtung Karrieremodus, im vorliegenden Fall „Enthusia Life“ genannt. Übrigens müssen wir die Fahrschule nicht komplett durchlaufen, doch empfiehlt es sich auf jeden Fall, der Wurf ins kalte Wasser (also direkt in die Karriere) würde den Meisten von uns nicht gut bekommen, schätze ich.
Beginnt Ihr die ersten kleinen Herausforderungen, wird (spätestens dann) klar, wie happig sich das Ganze gestaltet: kleinste Fahrfehler bzw. Unaufmerksamkeiten bei der Steuerung des Wagens werden erbarmungslos bestraft. Wer hier einfach so munter drauflos fährt, eiert spätestens in der zweiten Kurve von der Piste, „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“ ist hier vielmehr angesagt: Feingefühl bzw. wohldosierter Einsatz von Gas und Bremse nebst gefühlvoller Lenkung sind hier gefragt und das alles aber auch noch relativ zügig, versteht sich. Wer zu spät bremst, fliegt ab, wer zu ruckartig einlenkt, erleidet einen Dreher, wer zu ängstlich und somit frühzeitig vom Gas geht oder bremst, bleibt zwar auf der Straße, fährt der Konkurrenz aber chancenlos hinterher. Dazu gesellt sich eine erstaunlich hohe Intelligenz der CPU-Fahrer, die jede Chance nutzen möchten, um in die Lücke zu stoßen oder zu Überholmanövern ansetzen. Die Schauplätze sind dabei genauso abwechslungsreich wie die jeweilige Kursführung: Rundkurse, Stadtkurse fiktiver als auch realer Art (auch die Nordschleife des Nürburgrings gibt sich die Ehre), Gebirgsfahrten und Rallyeabschnitte sind mit von der Partie und dies sowohl am helllichten Tag als auch in der dunklen Nacht: die Kurse sind dabei derart individuell und teilweise trickreich angelegt, dass auch Profis ins Schwitzen kommen und sich ziemlich oft geschlagen geben müssen, zum Glück reicht des Öfteren auch ein Platz auf dem Podest, nicht immer muss es der erste Platz sein, um vorankommen zu können, was davon abhängig ist, mit was für einem Wagen Ihr ins Rennen gegangen seid. Dass der Boden dabei stark variiert, versteht sich quasi von selbst.
Bemerkenswert ist das „Visual Gravity System“, welches sich auf den momentanen Schwerpunkt des Wagens bezieht und anzeigt, wann der Wagen droht, auszubrechen oder zumindest der Grenzbereich gerade erreicht ist. Durch gekonntes Driften kann die verzwickte Situation dann noch entspannt werden: Reaktionsschnelligkeit und Feinmotorik sind hier das A und O.Wie es sich für eine ausgewachsene Rennsimulation gehört, dürfen wir selber Hand an das Set-Up anlegen: Reifenwahl, Federung, Stoßdämpfer, Stabilisatoren, Achse, Lenkung, Motor und Getriebe schreien förmlich danach, von uns eingerichtet zu werden. Simulationsfanatiker vermissen dann allerdings Boxenstopps und Verschleiß des Materials mit zunehmender Spieldauer, dies möchte ich keineswegs unter den Teppich kehren. Trost spendet uns das gute Set-Up-Menü, welches verhindert, dass wir in einem Wust von individuellen Einstellungen untergehen: unsere getätigten Veränderungen werden umgehend in die Tat umgesetzt und die sowohl positiven wie auch negativen (soll ja auch mal vorkommen) Veränderungen postwendend angezeigt. Ihr merkt schnell: angefangen mit der Fahrschule, über die Einstellungen vor jedem Rennen bis hin zur individuellen Beschaffenheit jedes Rennortes (Bodenbeschaffenheit, Kursführung) wird deutlich, dass sich für dieses Rennspiel sehr viel Zeit genommen werden muss.
Bemerkenswert ist das RPG-lastige Regelwerk von „Enthusia Professional Racing“: Punkte und nicht hartverdiente Dollars sind das Objekt der Begierde. Je schwieriger die zu absolvierende Prüfung, umso mehr füllt sich unser Punktekonto nach der Erreichung des (zumindest) Mindestziels. Sämtliche Rennklassen (von Kombi bis Prototyp) müssen gewonnen werden, wobei jedes Rennen je nach Schwierigkeit mit einem speziellen Faktor versehen wird und in Verbindung mit der eigenen Leistung (Fahrfehler führen zu Punkteabzug) das Resultat ergibt. Witzig auch: durch Missgeschicke lehrt sich auch das Konto unserer „Enthu-Punkte“: sind diese auf Null angelangt, sind wir vom nächsten Wettbewerb ausgeschlossen. Ruhepausen (auf Wunsch mehrere Tage) und natürlich Siege (Erfolge sind eben die beste Medizin) sorgen für eine Erholung des Enthu-Kontos. Der Clou schließlich: sowohl Fahrer als auch das jeweilige Fahrzeug erhalten Erfahrungspunkte, welche (rollenspielüblich) früher oder später zu Levelaufstiegen führen und somit dann auch zur Verbesserung der eigenen Fähigkeiten. Das Rennauto verbessert sich im Übrigen in punkto PS-Stärke, Reifenbeschaffenheit und Gewicht. Jede Hilfe ist uns natürlich willkommen und wird umgehend in die Tat umgesetzt.
Im Hinblick auf die Grafik gefallen die sauberen (realistischen) Fahrzeugmodelle, wenn diese auch nicht gerade im Hochglanz-Lack daherkommen. Eine gute Kameraführung sorgt für angenehme Weitsicht, ein chaotisches unübersichtliches treiben auf der Strecke hat daher zum Glück Seltenheitswert. Jede Strecke sieht zudem ganz anders aus, wenn ich auch zugeben muss, dass manche Hintergrundtexturen etwas langweilig aussehen. Dass sowohl 60-Hz-Modus als auch 16:9-Breitbildformat keine Unterstützung fanden, ist enttäuschend, da erwarte ich von einem Videospiel aus dem Jahr 2005 – und erst recht einem Rennspiel – einfach mehr. Dennoch: ein klares „Gut“ bekommt die schicke, angenehm flüssige Grafik auf jeden Fall. Die Soundkulisse geht zwar in Ordnung, doch gibt es Abzüge, da echte Ohrwürmer nicht dabei sind und ich insbesondere die extrem authentisch wirkenden Außengeräusche vermisse. Auch eine Dolby-Digital-Unterstützung hätte „Enthusia Professional Racing“ gut zu Gesicht gestanden, schade. Kurzum: wir haben schon deutlich bombastischere Präsentationen von Rennspielen erlebt (u.a. Gran Turismo, Ridge Racer, Project Gotham Racing), doch so richtig unzufrieden war ich in diesem Bereich wiederum auch nicht.
Festzuhalten bleibt schließlich: dieser PS2-Rennspieltitel hat es in sich, denn die knackigen Anforderungen bergen Frustpotential und erfordern insgesamt einen hohen Zeitaufwand. Der Zweispielermodus ohne CPU-Fahrer ist zwar schön flüssig, aber sicherlich nicht langzeitmotivierend, zumal die Online-Komponente völlig wegfällt. So sauber die Steuerung im Übrigen daherkommt, umso sehr bemüht sie sich um Realitätstreue, die Folge: auch kleinere Fahrfehler werden nicht verziehen. Dass die CPU-Fahrer sich erstaunlich intelligent verhalten, ist einerseits gut, andererseits vergrößert es den Frust für einige doch erheblich. Zu gefallen wissen hingegen innovative Spielverlauf – speziell das Regelsystem – und die tolle Fahrphysik, die Rennen an sich werden aber mit der Zeit auffallend monoton. Die gute Fahrschule, die langsam aber sicher ansteigende Lernkurve und nicht zuletzt die Grafik sorgen letztlich für einen gehobenen Spielspaß, doch aufgepasst: so richtig warm mit „Enthusia Professional Racing“ werden wahrscheinlich nur die eingefleischten Rennsimulationsfans mit einem hohen Maß an Geduld und Ausdauer. Spielspaßwertung: 79%.
PLUS --> Gute Grafik, hoher Realismusgrad, Top-Fahrphysik und angenehme Lernkurve, sehr anspruchsvoll und umfangreich, intelligente CPU-Fahrer, abwechslungsreiche Schauplätze und Streckenführung....
MINUS --> .... was man von den Rennverläufen an sich leider nicht sagen kann, Steuerung übertrieben sensibel, Soundkulisse nur durchschnittlich, schwer und zuweilen frustrierend
07.12.2006
mindestens so gut wie Gran Turismo
Das Spiel verfolgt zwar im Vergleich zu Gran Turismo einen völlig anderen Ansatz, von der Grafik, der Gegner-KI und vom Fahrzeugverhalten ist es aber absolut gleichwertig.
Belohnt wird im Hauptmodus des Spieles ("Enthusia Life") sauberes Fahren: einerseits durch die Erhöhung der Fahrer-Skillpunkte (vergleichbar mit einer Lebensenergieanzeige) und andererseits vor allem durch die Verbesserung von Gewicht, Reifen und Leistung des ausgewählten Wagens. Es hilft also überhaupt nichts, wenn man - wie in Gran Turismo - Wallgliding praktiziert, Gegner rammt oder aber von der Strecke abkommt. Aufgrund des ausgewogenen Schwierigkeitsgrades ist es auch relativ problemlos zu schaffen, die meisten Rennen sauber zu Ende zu fahren. Allerdings ist es hierbei mitunter nötig, einen voll getunten Wagen zu verwenden (in der Regel braucht man für ein Level 10-Tuning etwa 7 gute Rennen; TKS und ESP kann man optional verwenden und das Feintuning eines Wagens analog Gran Turismo ist ebenfalls möglich). Parallel dazu werden die besten 9 Ergebnisse der letzten 12 Rennen zur Berechnung der Gesamtplazierung verwendet; abhängig von der aktuellen Platzierung sind Teilnahmen an "ertragreicheren" Rennen möglich, man kann aber auch Plätze verlieren. Aufgrund der vorgegebenen Siegquoten pro Wagen pro Rennen kann man sich im Vorfeld ein Bild über seine Erfolgschancen machen. Man muss nicht unbedingt die Rennen gewinnen, um Skill- und Platzierungspunkte zu bekommen. Es gibt dann eben nur weniger ...
Ärgerlich ist einzig und allein die Wagenverlosung nach Beendigung eines Rennens: Man gewinnt zufällig einen oder auch keinen der 5 anderen Wagen aus dem Starterfeld des eben absolvierten Rennens. Da das Spiel ganze ohne Geld auskommt, ist dies im Enthusia-Modus die einzige Möglichkeit, an neue Wagen heranzukommen, mindert aber den Spaßfaktor. Vor allem, wenn man ständig japanische Autos gewinnt.
Das Spiel soll insgesamt 211 Wagen enthalten (u.a. Opel, VW, Mercedes, Audi, BMW, RUF), die Strecken hingegen sind Fantasiekurse (mit Ausnahme von Tsukuba Circuit und der Nordschleife).
Es gibt darüber hinaus noch einen Modus vergleichbar der Gran Turismo-Fahrschule (muss aber nicht absolviert werden, um an Enthusia Life teilzunehmen), das übliche Zeitrennen sowie 2-Spieler Splitscreen-Rennen. Das Spiel unterstützt den 900°-Modus des Driving Force Pro Lenkrades, Rütteleffekte sind aber im Vergleich zu Gran Turismo nicht so sehr vorhanden (vgl. Nordschleife).
Man sollte dem Spiel auf jeden Fall eine Chance geben; vor allem, wenn man den Realismus von Gran Turismo mag.
PS: Die VGS-Anzeige ist meiner Meinung nach völlig sinnlos und kann glücklicherweise abgeschaltet werden.