05.03.2007
Jade ist Trumpf
Ob man dem Genre der Actionadventure – zugegebenermaßen aufgrund der zahlreichen und teils grundverschiedenen Elemente ein sehr weites Feld – etwas abgewinnen kann oder nicht, darf bei der Bewertung des folgenden Titels keine Rolle spielen: ganz objektiv gesehen ist „Beyond Good & Evil“ ein Mega-Hit und gleichzeitig ein totaler Überraschungserfolg. Erschienen ist dieses edle Abenteuerspiel meiner Erinnerung nach flächendeckend für Sony Playstation 2, Microsoft X-Box und Nintendo Gamecube, mir persönlich ist lediglich die PS2-Fassung geläufig. Die zarten Negativpunkte müssen in diesem Fall wirklich mit der Lupe gesucht werden, in allen Bereichen, die ein Top-Videospiel ausmachen, wird uns jedenfalls Beeindruckendes geboten.
Fangen wir doch zunächst mit den sehr wenigen Nachteilen an, bevor ich auf die vielen positiven Aspekte zu sprechen komme. Beyond Good & Evil ist nur für den Solospielerspaß konzipiert worden, Freunde des Multiplayerspaßes schauen demzufolge in die Röhre. Einzige Alternative: das Joypad von Zeit zu Zeit weiterreichen. Zudem ist das Erscheinungsbild des Kompagnons unserer Heldin sicherlich Geschmackssache: es handelt sich um ein frappierend einem Schwein ähnlichen Wesen, mein Ding war dies definitiv nicht. Wahrscheinlich sollte dies einen Schuss Innovation oder Komik mit einbringen, was dieses Game aber überhaupt nicht nötig hat, meine Meinung jedenfalls. Schließlich müssen wir dicke schwarze Pal-Balken am oberen und unteren Bildschirmrand in Kauf nehmen, was zuweilen wirklich störend ist, schade. Schließlich fand das 16:9-Bildschirmformat keine Berücksichtigung. Das war es aber nun eigentlich auch, im Übrigen gibt es selbst für notorische Nörgler kaum etwas zu bemängeln, schätze ich.
Im Mittelpunkt steht die nicht ganz unattraktive Jade, die dunkelhaarig, gut gebaut und mit rehbraunen Augen daherkommt. Schnell merken wir, dass sie sehr fix bzw. wieselflink unterwegs ist und Erschöpfungszustände ihr fremd zu sein scheinen. Das eben erwähnte Schwein übernahm früh die Rolle eines Ersatzvaters, da die Eltern von Jade schon in deren frühen Kindheitstagen untertauchen mussten. Ihr Heimatort ist seitdem die Werkstatt des offensichtlich begabten Peyi – so der Name des Schweines – auf dem Planeten Hyllis. Wie so oft herrscht nur zunächst Friede auf jenem Planeten, was nicht von langer Dauer ist und eines Tages in erbitterte Kriege gegen das Volk der Knochenmonster umschlägt. Jene sind ursprünglich den Tiefen des Weltalls entsprungen und wollen es sich offensichtlich auf Hyllis so richtig gemütlich machen. Dem will sich eine Spezialeinheit namens „Alpha“ entgegenstemmen, allerdings handelt es sich hier keineswegs um eine rebellische Bewegung tapferer Einzelkämpfer, sondern vielmehr um eine Erfindung eines strengen Militärstaates, der diesbezüglich unentwegt Propaganda betreibt und selber auch nicht unbedingt besonders ehrenwerte Ziele verfolgt. Protagonistin Jade steht somit nicht nur zwischen den Stühlen, sie unternimmt in der Folgezeit Alles auf eigene Faust, ist weder dem skrupellosen Militärstaat noch (natürlich) den außerirdischen Invasoren wohlgesonnen.
Eigentlich ist Jade „von Hause aus“ zielstrebige Reporterin, die immer auf der Jagd – wie sollte es auch anders sein – nach einer tollen Story ist. Demzufolge knüppelt sich die furchtlose Hauptdarstellerin nicht nur durch Horden an feindlichen Monstern, sondern bedient sich auch sehr oft ihrer Fotokamera, was sich wie ein roter Faden durch das gesamte Spiel zieht und Adventure-Elemente in den Vordergrund rücken lässt. Mit dieser knipst sie immerzu auf den Auslöser, sobald sich etwas Interessantes entdecken lässt, was die Vermutungen finsteren Machenschaften des Regimes untermauern könnte. Zunächst machen wir als Jade lediglich vergleichsweise harmlose Fotos von Flora und Fauna, die wir daraufhin einscannen und uns je nach Wichtigkeit bzw. Bedeutung jener Schnappschüsse in barer Münze auszahlen lassen. Besondere Auffälligkeiten wandern auf dem schnellsten Wege auf die Serber bzw. in die Redaktion der Untergrundbewegung, welche schnellstmöglich veröffentlicht werden. Dies hat regelmäßig zur Folge, dass die (zunächst) ahnungslose Bevölkerung zusehends aufgeklärt wird und sich im Laufe der Zeit jener Bewegung aus dem Untergrund anschließt. Die Protesthaltung gegen das Regime wird somit immer stärker und stärker, eine das Entfachen einer Revolution rückt dadurch in greifbare Nähe.
Langeweile ist hier bei Beyond Good & Evil ein absolutes Fremdwort, selten habe ich ein derartiges Feuerwerk an abwechslungsreichen Elementen in einem Spiel erlebt. Unzählige Geheimnisse und verborgene Orte und nicht zuletzt Schätze gilt es aufzuspüren, sehr unterschiedliche Rätsel, actiongeladene und sehr effektvoll in Szene gesetzte Kämpfe, Wettrennen, stets variierende Missionen und stets die fieberhafte Suche nach neuen Hinweisen sorgen für ein sehr abwechslungsreiches Gameplay. Gleiches gilt für die Art der Schauplätze, denen lediglich eines gemeinsam zu sein scheint: sie sind überwiegend in ein mystisch-wirkendes grünes Licht getaucht, was in der tat sehr gut rüberkommt und für eine dichte Atmosphäre sorgt. Zu der Art der (grandiosen) Präsentation aber nachher mehr. Viele Städte und Läden laden zu ausgiebigen Shopping-Touren ein, zudem erlernt Jade völlig neue Fähigkeiten und perfektioniert diese im Laufe der Zeit. Schleicheinlagen kommen ebenso vor wie waghalsige Kletterpartien, Hangelpassagen, Jump-and-Run-Elemente und deftige Kämpfe, welche nicht auf die leichte Schulter genommen werden dürfen. Der Schwierigkeitsgrad ist moderat, nicht zu schwer aber auch selten zu leicht, mit einem blindlings auf den Feind losstürmenden Aktionen kommen wir oftmals nicht besonders weit. Manche Feinde sollten wir gänzlich meiden, andere uns lieber vorsichtig einzeln vorknöpfen, mitunter ist es ratsam, einfach geduckt zu bleiben oder uns an die Wand zu quetschen, bis die feindlichen Subjekte außer Reichweite sind, um uns dann erst fortzubewegen. Dies verstärkt unter anderem den Spannungsgehalt und sorgt für ein willkommenes Maß an Abwechslung und Anspruch.
Nicht vermeiden lässt es sich ab und an, dass wir das Zeitliche segnen müssen, selbst sehr erfahrene Actionadventure-Freaks sind davor nicht sicher. Dadurch, dass die Speicherpunkte aber zahlreich gesät sind und wir im Falle unseres Ablebens oftmals nur wenig zurückgesetzt werden, hält sich die Frustkomponente erfreulich stark im Hintergrund und dies, ohne dass es uns zu leicht gemacht wird. Eine gesunde Basis für eine langanhaltende Motivation wurde nicht zuletzt dadurch geschaffen. Auch die Kämpfe an sich verlaufen selten gleich, wenn mit zunehmender Spieldauer natürlich auch irgendwann sehr ähnlich. Unterschiedliche Schlag-, Trittkombinationen und Spezialattacken sorgen für spektakuläre Moves, zudem weisen nahezu sämtliche Feinde einen speziellen Schwachpunkt auf, den es natürlich herauszufinden gilt. Völlig unbedarft auf dem Gebiet des Actiongenres solltet Ihr nicht sein, ein gewisses Maß an feinmotorischen Künsten ist zweifellos gefragt. Ähnliches gilt bezüglich der auftauchenden Rätsel, denn nicht immer erschließt sich die Auflösung eines solchen innerhalb weniger Momente. Manchmal etwas nervig – tatsächlich also noch ein kleiner Negativpunkt an dieser Stelle – ist die Tatsache, dass wir zuweilen etwa planlos umherirren und nicht immer wissen, wo und wie es denn genau weitergeht. Etwas Geduld ist also zwingend erforderlich, mindestens dreißig Stunden (es können aber auch gut fünfzig sein) solltet Ihr auf jeden Fall einplanen. In Nullkommanichts ist dieses Game jedenfalls definitiv nicht durchgezockt.
Letzteres liegt unter anderem auch daran, dass nicht nur gerannt, geklettert, gehüpft, fotografiert und gekämpft wird, sondern auch jede Menge Small-Talk mit den jeweiligen Ortsbewohnern an der Tagesordnung ist. Manchmal bringt dies nicht allzu viel, ab und zu – Ihr ahnt es sicher schon – macht dies aber Sinn. Gerade hier kann ich Euch nur dazu raten, genau hinzuhören bzw. hinzuschauen, denn manch ein Hinweis ist wirklich sehr wichtig, insbesondere da regelmäßig manch einer Info erst so richtig zu entnehmen ist, wie es weitergeht. Öfters erfahrt Ihr nur durch einen Gesprächspartner, was zu tun ist, außerdem helfen diese uns manchmal sogar aktiv, was das weiterkommen angeht und öffnen uns versiegelte Türen oder betätigen Instrumente, was uns nicht möglich gewesen war. Inszeniert wird das Ganze hervorragend und damit beziehe ich mich nicht nur auf die Qualität von Grafik und Soundkulisse an, sondern auch die Art, wie uns das Geschehen präsentiert wird, einem interaktiven Film (nicht zuletzt durch die zahlreichen Zwischensequenzen) ganz sicher nicht unähnlich.
Gefällt der Spielverlauf bereits durch seinen Abwechslungsreichtum, den enthaltenen Anspruch und die vielen unterschiedlichen Elemente unterschiedlicher Genre, so setzt Ubisoft in Sachen Optik und Sound sogar noch einen drauf. Abgesehen vom Fehlend es 16:9-Breitbildformats und den leider in Kauf zu nehmenden dicken schwarzen Pal-Balken wird uns in dieser Hinsicht Herausragendes geboten. Leuchtende Farben – speziell die Grüntöne – Unmengen an satten Spezialeffekten, herausragend geschmeidige Animationen, eine blitzsaubere Kameraführung und eine außerordentlich sehenswerte Zeitlupenfunktion in den Kämpfen vermitteln eins ehr dichtes Flair. Eckig und kantig sieht hier so gut wie nirgendwo etwas aus, speziell das Design unserer Hauptdarstellerin ist ein Augenschmaus. Schöne Lichteffekte, Spiegelungen auf dem Wasser und sehr gelungene Zwischensequenzen komplettieren den sehr guten Eindruck. Die Soundkulisse ist dabei sogar noch einen Tick besser ausgefallen, orchestrale, abwechslungsreiche und sehr stimmungsvolle Klänge, sehr schöne Hintergrundmelodien, viele kleine Hintergrundgeräusche (z.B. das Radio oder Hämmern in der Werkstatt), die für eine überaus authentisch wirkende Atmosphäre sorgen und eine überragende deutsche Synchronisation, wie ich sie bislang nur ganz selten erleben durfte, wissen zu begeistern. In Sachen Akustik gibt es daher sogar die Höchstnote.
Abgesehen von der zeitweilig auftretenden Orientierungslosigkeit – basierend darauf, dass wir nicht wissen, was zu tun ist, damit es weitergeht – leistet die Menüführung ganze Arbeit. Etwas Zeit braucht es allerdings schon, bis wir uns mit dieser angefreundet haben, doch dann zeigt sich (schließlich) der gut durchdachte Aufbau. Solltet Ihr allerdings einige Tage (oder gar Wochen) mit dem Game pausieren, kann es gut sein, dass Ihr Euch dann erst wieder neu orientieren müsst, bevor Ihr alles erneut verinnerlicht habt, vergeht schätzungsweise erneut wieder etwas Zeit. So erging es mir jedenfalls. Ein Sonderlob gebührt zweifellos der Steuerung unserer Heldin, denn die Art und Weise, wie präzise und vor allem butterweich unsere Eingabebefehle von dieser ausgeführt werden, ist bärenstark. Schon in den Anfangsminuten, in denen Ihr quasi direkt ins kalte Wasser geworfen werdet, bemerken wir, dass (auch) in diesem Punkt sensationell gute Arbeit verrichtet wurde. Traumhaft gut geht uns die Steuerung von Jade aus der Hand und dies macht praktisch vom Start weg Lust auf mehr.
Zumindest für Fans des Actionadventure-Genres ist „Beyond Good & Evil“ ein absoluter Pflichtkauf. Mir selber ist nur die PS2-Fassung vertraut, doch vernahm ich, dass die Versionen für X-Box und Gamecube sogar noch einen Tick besser sein sollen. Dies kann sich meines Erachtens dann nur auf den Wegfall der (hier auf der PS2 leider zu ertragenden) dicken schwarzen Balken beziehen, ansonsten dürften sich kaum nennenswerte Unterschiede ergeben, schätze ich. In nahezu allen Belangen – bis auf die erwähnten „Schönheitsfehler“ – wird uns auch auf der Playstation 2 einfach Herausragendes geboten. Ich erinnere mich noch, dass dieses Game trotz seiner herausragenden Qualität erstaunlich selten gekauft wurde, andere Titel hingegen wie beispielsweise „Matrix“ – die um zig Klassen schlechter waren, aber für die im Vorfeld ordentlich die Werbetrommel gerührt wurden – sich deutlich besser verkauften: ein Armutszeugnis. Die angenehme Folge für die Interessierten war allerdings, dass „Beyond Good & Evil“ ziemlich früh schon ziemlich preiswert – für unter 30 Euro - zu haben war. Auf jeden Fall ist dieses Abenteuerspiel ein Paradebeispiel dafür, dass ein Videospiel mit einem Top-Inhalt, einer phasenweise wirklich berauschenden Qualität und zudem einem enormen Schuss an Innovation noch lange keine hohen Verkaufszahlen zur Folge hat. Ohne Worte. Spielspaßwertung: 88%.
PLUS ---> Grandiose Soundkulisse, superbe deutsche Synchro, fantastische Animationen und Spezialeffekte, sehenswerte Hintergründe, abwechslungsreich, anspruchsvoll, sehr innovativ und motivierend, butterweiche Steuerung, niemals unfair
MINUS ---> Dicke schwarze Pal-Balken, kein Multiplayermodus, kein 16:9-Format, Schwein als zweite Hauptfigur gewöhnungsbedürftig, phasenweise Orientierungslosigkeit (wo und wie geht es weiter?)
22.08.2004
Schlechte Kameraführung vermiest ein gutes Spiel
Der Planet Hillys wird von den DomZ angegriffen. Die Alpha-Abteilung soll die Bevölkerung beschützen, aber tut sie das wirklich? Die Reporterin Jade deckt eine Verschwörung auf.
+
Tolle Heldin
Lebendige Spielwelt
Liebenswerte Mitstreiter
Interessante Story
Sehr schöne Musik und Hintergrundgeräusche
Kurze Ladezeiten
Gut platzierte Rücksetzpunkte, bei denen man während des Spiel wieder startet, wenn man ein Leben verliert
Abwechslungsreiches Gameplay (schleichen, kämpfen, Schalterrätsel lösen, Rennen fahren, Tiere fotographieren ...)
Leichter Schwierigkeitsgrad
-
Sehr schlechte Kameraführung
Sehr kurz (Spielzeit < 15 Stunden)
Simples Kampfsystem
Wenig Gegner
Die enthusiastischen Bewertungen kann ich nicht ganz nachvollziehen. "Beyond Good and Evil" ist ein gutes Spiel, aber kein perfektes.
Die Kämpfe sind sehr simpel - Richtung wählen und mehrmals X drücken, fertig. Die Schalterrätsel sind meist ähnlich. Die Graphik ist zwar sehr gut, aber wenig abwechslungsreich. Vor allem aber ist das Spiel viel zu kurz. Ich bin nur ein Gelegenheitsspieler und habe mir Zeit genommen, die Welt ein wenig zu erforschen, aber trotzdem kam nach ca. 15 Stunden der Abspann.
Und das absolut nervigste am Spiel: die Kameraführung. Der Blickwinkel ist fast immer falsch. Ständig muß man den Blickwinkel nachjustieren. In Kämpfen hat man oft keine Zeit und verliert unnötig Health, nur weil man nicht sieht, wo der Gegner ist oder wo man hinläuft, oder in einer Ecke die Orientierung verliert.
Fazit: Ein gutes Spiel und zum günstigen Sonderpreis empfehlenswert. Die schlechte Kameraführung kostet aber sehr viel Spielspaß und ich wollte beinahe alleine dafür einen Stern extra abziehen. Aber 3 Sterne währen dann doch zu wenig gewesen, das Spiel liegt näher an 4 Sternen als an 3.